Am 27. Oktober jährt sich zum 30. Mal die Seligsprechung Adolph Kolpings – ein katholischer Priester aus Kerpen, den die sozialen Missstände im 19. Jahrhundert zur Gründung der Gesellenvereine veranlassten. Sein Engagement für Benachteiligte führt der Kolpingverband seitdem in 60 Ländern fort. Dazu Msgr. Ottmar Dillenburg, Generalpräses von Kolping International, im Interview:
Welche Bedeutung hatte die Seligsprechung Adolph Kolpings am 27. Oktober 1991 durch Papst Johannes Paul II. für den Kolpingverband?
Msgr. Ottmar Dillenburg: Das war ein großer Motivationsschub für das Internationale Kolpingwerk und seine weltweit über 400.000 Verbandsmitglieder. Ich war damals in Rom selbst dabei, als Kaplan, und werde es nie vergessen. Adolph Kolping war an diesem Tag der Einzige, der selig gesprochen wurde. Daher waren fast nur Kolpingmitglieder auf dem Petersplatz, mit einer Unzahl von Bannern. Der ganze Platz leuchtete in Kolping-orange. Den Papst hat das damals auch sehr beeindruckt. Das hat Kardinal Meisner immer wieder erzählt. Es entstand eine ergreifende Stimmung während der Seligsprechung, ganz viele Gänsehautmomente. Und diese Stimmung hat sich auf den Verband übertragen – erst in Europa, dann weltweit. Die Menschen in der Einen Welt sind für solche Gänsehautmomente deutlich empfänglicher als wir. Aber auch bei uns war die Seligsprechung ein unglaublicher Motivationsschub, der in die Arbeit bis in die einzelnen Kolpingsfamilien hinein gefruchtet hat. Und dieser Effekt hat Jahre angehalten.
Hat auch die weltweite Entwicklungszusammenarbeit des Verbandes von der Seligsprechung profitieren können?
Ja, da gab es verschiedene Ebenen, die der Menschen vor Ort und die der Entscheider in der Einen Welt, darunter die Bischöfe und Ordensoberen. Auf beiden Ebenen ist Kolping durch die Seligsprechung deutlich bekannter geworden. Damit hat die Arbeit des Verbandes in manchen Ländern schneller Akzeptanz gefunden. Denn wenn die Entscheider vor Ort grundsätzlich wissen, dass es sich bei Kolping um eine gute Sache handelt, öffnet das auch bei Entwicklungsprojekten Tür und Tor.
Wirkte die Seligsprechung demnach wie eine Art Qualitätssiegel der katholischen Kirche?
Mindestens ist sie als Qualitätssiegel der Arbeit von Kolping zu verstehen. Und indirekt kann natürlich auch die Kirche davon profitieren, dass sie mit Adolph Kolping einen Seligen hat, der so nah an den Menschen ist. Ein Europäer, der aber auch ganz nah an den Menschen in Afrika, Lateinamerika und Asien ist, und dessen im 19. Jahrhundert grundgelegtes Wirken noch heute aktuell ist. Das ist auch ein Aushängeschild für die katholische Kirche.
Was ist für Sie das Besondere an der Person Adolph Kolping?
Er ist für mich ein ganz authentischer Christ. Und zwar keiner, der frömmelnd durch seine Zeit gelaufen ist, sondern einer, der die Bibel in die Hand genommen und quasi als Handwerkszeug genutzt hat. Das, was Adolph Kolping von der Bibel, vom Evangelium, verstanden hat, das wollte er auch durch sich und durch seine Anhänger umgesetzt wissen. Und das finde ich so faszinierend. Seine Spiritualität war auf der einen Seite eine ganz geistliche. Kolping hat sich intensiv mit der Bibel befasst. Er besaß aber eben auch eine handwerkliche Spiritualität. Er wollte die Texte umgesetzt wissen ins Leben der Menschen hinein, um die Situation der Menschen zu verbessern. Er wollte sich nicht mit wunderbaren Gleichnissen in der Bibel begnügen. Er wollte die Worte Jesu auch als Aufforderung verstanden wissen für Christen, es ihm gleich zu tun, um insbesondere jenen zu helfen, die an den Rand gedrängt waren. Die Soziale Frage war sein Thema, das er während seines ganzen Wirkens in den Vordergrund gestellt hat, exemplarisch durch seine Zusammenarbeit mit den Handwerksgesellen. Aber es stand mehr dahinter: Er wollte soziale Gerechtigkeit haben – und das ist ja auch ein roter Faden, der durch die Evangelien geht.
Kolping war einer der ersten katholischen Sozialreformer. Mittlerweile ist er seit über 150 Jahren tot. Wie aktuell sind seine Ideen heute noch für die Probleme unserer Zeit?
Das ist spannend. Es ist von Kolping sehr viel schriftlich niedergelegt worden. Wir haben 14 Bände mit Kolpingschriften, und viele dieser Themen samt Lösungsvorschlagen sind heute tatsächlich noch topaktuell. Das gilt vor allem, wenn es um die soziale Frage geht, darum, die Benachteiligten in den Blick zu nehmen und etwas dafür zu tun, dass die Menschen ein besseres Leben führen können. Da gibt es Dutzende, eigentlich Hunderte von Zitaten, die genauso in die heutige Zeit passen, wie sie ins 19. Jahrhundert gepasst haben. Das ist auf der einen Seite erschreckend, weil es heute immer noch so viele soziale Ungerechtigkeiten gibt – insbesondere, wenn wir in die Eine Welt blicken. Auf der anderen Seite ist es aber natürlich faszinierend, dass jemand über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg so aktuell bleibt mit seinen Aussagen.
Können Sie hier ein Beispiel nennen?
Adolph Kolping sagte zum Beispiel: Wir dürfen uns nicht damit begnügen, die Not der Menschen zu sehen. Wir müssen als Christen auch das unsere dazu beitragen, dass es den Menschen besser geht, und zwar auf den verschiedensten Ebenen. Damit meinte er nicht nur, dass der, der kann, monetär hilft. Er rief auch dazu auf, sich in der Gesellschaft und politisch dafür einzusetzen, dass soziale Schieflagen sich verbessern. Das finde ich topaktuell, sowohl im Nahbereich als auch in Europa – und umso mehr natürlich in der Einen Welt. Und das ist nur ein Beispiel von etlichen, die mich faszinieren.
Das Internationale Kolpingwerk setzt sich seit langem auch für eine Heiligsprechung Adolph Kolpings ein. Wie ist der aktuelle Stand in Rom?
Die Vorbereitungen dazu sind abgeschlossen, aber das Verfahren ruht momentan. Was zur Weiterführung fehlt, ist ein drittes Wunder, zum Beispiel in Form einer Krankenheilung, die nachweislich auf Kolping zurückgeht. Damit könnte das Erzbistum Köln das Verfahren wieder in Gang bringen. Eine andere Möglichkeit ist eine sogenannte Dispens von Papst Franziskus, mit der die Heiligsprechung auch ohne ein drittes Wunder möglich wäre.
Auf eine solche Dispens zielt die aktuelle Kampagne „Kolping ist mir Heilig“. Mit ihr sammelt der deutsche Verband für eine Heiligsprechung Kolpings Unterschriften in der ganzen Welt. Ein realer Hoffnungsschimmer?
Ich hoffe sehr, dass dies die Verantwortlichen noch einmal zum Nachdenken bringt. Ich würde mir wünschen, dass vom Erzbistum Köln her der Gedanke mehr verfolgt wird, dass eben nicht nur auf ein weiteres medizinisches Wunder gewartet wird als Bestätigung der Heiligkeit Adolph Kolpings, sondern dass der Papst gebeten wird, in diesem ganz besonderen Fall eine Dispens zu erteilen. Das Wirken des seligen Adolph Kolping ist ja schon weltweit anerkannt, den Kolpingverband gibt es in 60 Ländern. Ich würde mir das sehr, sehr wünschen und bin deshalb dem Kolpingwerk Deutschland dankbar für diese Initiative.
Welche Wirkung hätte die Heiligsprechung?
Ich bin fest überzeugt, sie würde erneut einen emotionalen Schub geben. Auf jeden Fall in Afrika, Lateinamerika und Asien, wo die Menschen von ihrer Persönlichkeit her ganz anders mit so einer Heiligsprechung umgehen. Sie würden sie richtig feiern, sich freuen für Adolph Kolping. Wir Europäer sind da ja etwas sachlicher. Für uns ist das vom Kopf her vielleicht nicht so wichtig, aber mit dem Herzen lassen wir uns sicher mit anstecken, wie das auch bei der Seligsprechung der Fall war. Ich bin fest davon überzeugt, die Heiligsprechung würde der Projektarbeit in der Einen Welt einen enormen Schub geben, aber auch bei uns und bei den mitteleuropäischen Kolpingschwestern und Kolpingbrüdern. Sie würde viel Elan in unsere Arbeit bringen.