Das Kolpingwerk im Erzbistum Hamburg beschäftigte sich auf seinem Bildungswochenende vom 17.-19. November im Ferienland Salem mit dem Thema Islam. Im Mittelpunkt der Wochenendtagung stand die Frage danach, wo es im Islam Gemeinsamkeiten mit dem Christentum gibt und wo sich beide Weltreligionen unterscheiden?
Als kompetenten Referenten konnte für das Wochenende der Islamwissenschaftler Kaan Orhan von der Beratungsstelle HAYAT in Bonn gewonnen werden. Orhan beschäftigt sich seit zwei Jahren im Rahmen seiner Tätigkeit für die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Zentrum für demokratische Kultur (ZdK) mitgetragenen Beratungsstelle mit dem Thema radikaler Islam. Als Berater ist Orhan Ansprechpartner für Angehörige, deren Kinder sich salafistisch radikalisieren, dem Dschihadismus anschließen und möglicherweise in Konfliktregionen ausreisen oder schon ausgereist sind.
In seinem Einstiegsreferat am Freitagabend gab der Islamwissenschaftler einen kurzen Überblick über die Grundlagen des Islams. Die sich aus dem Referat ergebene angeregte Debatte zeigte, dass das Thema Islam medial ständig präsent ist, das Wissen über die Grundlagen aber nur sehr wenig vorhanden ist. So waren es Fragen wie die, wie man überhaupt nach islamischem Selbstverständnis Muslim werden kann und welches Gottesbild im Islam vertreten wird. Kaan Orhan konnte nicht nur die vielen Fragen der Anwesenden beantworten, sondern es gelang ihm immer wieder auch einen historischen und regionalen Zusammenhang zwischen der Religion und der Form der Religionsausübung herzustellen.
In seinem zweiten Referat am Samstag ging der Referent dann auf das Thema Demokratie, Menschenrechte und Islam ein. Ist der Islam als Religion mit dem westlichen Verständnis von Demokratie vereinbar? Gibt es einen Euro-Islam? – das waren Fragen, auf die der Referent einging. Wie die meisten anderen Religionen erhebt der Islam den Anspruch, dass allein seine Glaubensgrundsätze wahr und befolgenswert sind. Ziel ist es daher, die Religion so weit wie möglich zu verbreiten. Zur Entstehungszeit des Islam war mit der Ausbreitung der Religion zudem ein politischer Machtanspruch verbunden. Wenn nötig, mussten dem Ziel der Stärkung der umma (Gemeinschaft der gläubigen Muslime) individuelle Ansprüche untergeordnet werden. Daher gibt es eine enge Verknüpfung von Politik, Recht und Religion im Islam bis heute. Im Anschluss gab es dann eine angeregte Debatte.
Den letzten Bildungsvortrag gestaltete an diesem Wochenende der Journalist Stefan Rochow, der ebenfalls seit über zwei Jahren als freier Mitarbeiter für das Zentrum für demokratische Kultur tätig ist. In seinem Vortrag beschäftigte sich Rochow mit den unterschiedlichen Strömungen im Islam und deren kulturellen Hintergründe. Deutlich wurde nach diesem Vortrag, dass es im Islam neben den Hauptströmungen Sunniten und Schiieten so viele weitere Ausprägungen des Islams gibt, dass eine Verallgemeinerung des Islams unmöglich ist. Der Journalist ging auch auf die radikalen und fundamentalistischen Strömungen innerhalb des Islams ein. Diese seien eine Minderheit, aber sehr lautstark. Auch der Einfluss dieser Gruppen auf den Islam selber solle man laut Rochow nicht unterschätzen. Die Auseinandersetzung mit Islamismus sei die große Aufgabe der Muslime. „Wir können diese mit Stigmatisierung erschweren oder durch Unterscheidung und Abwägung erleichtern“, so das Fazit des Journalisten.
Die sich im Anschluss an den Bildungsteil formierenden Arbeitsgruppen, beschäftigten sich mit den Unterschieden und den Gemeinsamkeiten im Islam. Weiter beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit Werten und Normen, die für das Zusammenleben einer pluralistischen Gesellschaft notwendig sind.
Als Fazit des Wochenendes ist fetzuhalten, dass eine Religion wie der Islam eine breitgefächerte Religion ist. Aufgrund der Tatsache, dass der Islam kein theologischer Lehramt als letzte Instanz kennt, gibt es viele Islamverständnisse, die sich teilweise widersprechen. Wer den Islam polemisch mit Islamismus gleichsetzt liegt am Ende ebenso falsch wie derjenige, der sagt, dass Islam nichts mit dem Islamismus zu tun hat. Die Teilnehmer des Bildungswochenendes erhielten einen guten Einblick in eine Religion, die vielschichtiger ist als in der öffentlichen Debatte oft wahrgenommen.